Die Maasai

Der bekannteste Stamm Kenyas sind die Maasai, die heute im Süden des Landes leben. Ein Teil des kriegerischen Hirtenvolkes lehnt noch immer alle Neuerungen der modernen Zeit ab und ist stolz auf seine althergebrachten Traditionen.

Wer sind die Maasai? Woher kommen sie?
Die Sprachforscher ordnen die Maasai der Gruppe der Ostniloten zu, deren Sprache, das Maa, allerdings stark vom Kuschitischen beeinflußt ist. Bis heute ist die Geschichte der Maasai wenig erforscht. Als sicher gilt, daß sie bis ins 15. Jhr. in der Gegend um den Turkana-See lebten. Nur langsam zogen sie von dort in kleinen Gruppen weiter südwärts. Über lange Zeit waren sie unbestrittene Herrscher in den weiten Savannen Zentralkenyas und im Süden des Landes bis weit nach Tanzania hinein.

Von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart:
Vor tausenden Jahren lebten längs der langen Wasserschlange, Nil genannt, in der heute als Sudan bekannten Gegend, ein Volk, das nur unter dem Namen „nilotic“ bekannt war. Hohen und schlanken Wuchses stellten diese Völker eine besondere Rasse von „Negroiden“ dar, die von der Jagd lebten und von all dem, was die Natur ihnen spontan bot.

Vom Instinkt getrieben wählten sie den Weg nach Süden. Einige Gruppen zogen in die Gegend, die wir heute Äthiopien nennen; andere dagegen in die Gegend, die dem heutigen Uganda entspricht, indem sie den Nil entlang wanderten. Die erst genannten stießen auf die Kuschiti, die anderen auf die Bantu, die ihrerseits ebenfalls von Süden nach Norden vorgedrungen waren. Von einen Ort zum anderen mit ihren Herden ziehend, südwärts gerichtet, trafen sich die verschiedenen Gruppen und vereinten sich schließlich in einer ihrem Leben besser entsprechenden Gegend, wo sie Zelt und Wurzeln faßten, so daß sie endgültig blieben: in dem Rift Valley.

Als Terror aller Stämme der Umgegend, herrschten sie wild vom Viktoria - See bis zum Indischen Ozean, vom Mt. Kenya bis zum Mt. Kilimandscharo, als wären sie die Herrscher der Gegend.

Dieses Volk wurde von zwei großen Führern kommandiert; nach diesen herrschenden Führern wurden die zwei höchsten Bergspitzen des Mt. Kenya benannt: Mbatyan und Nelion.

Nach einer Viehpest (1880) folgten die Pocken. Die Maasai starben wie Fliegen, und die Überlebenden ergriffen verzweifelt die letzte Rettungsmöglichkeit: eine Ausrottung der anderen Stämme. Die wütenden Kämpfe dezimierten die schon erschöpften Hirten. Und dazu kam noch der Tod ihres Führers Mbatyani (1889). Seine beiden Söhne, Lenana und Senden (dem Lenana wurde der große Gletscher des Mt. Kenya gewidmet) stritten gegeneinander mit Waffen um die Nachfolge.

Lenana siegte, aber nun erschienen die Engländer und eigneten sich gewaltsam die Gegend um den Berg Kenya an. Im Jahr 1904 wurden die Maasai in zwei Bezirke getrennt; erst 1911 sind sie dann wieder in einer einzigen Gegend vereinigt worden; diese Gegend ist an Weiden reich (vorausgesetzt, daß es genügend regnet). Die Gegend heißt heutzutage Maasailand und erstreckt sich weit über die Grenzen zwischen Kenya und Tanzania.

Vorrang der Kuh
„Ich hoffe, es geht deinen Kühen gut“ ist der Wunschgruß eines echten Maasais, mit dem er sich seinen Mitbürgern zuwendet, wenn er ihm auf dem Pfad der Savanne begegnet. Als Enkai Himmel und Erde trennte, ließ er den Maasai als Erbschaft die Kuh. Mit ihrer Kuh sind die Maasai ihr Leben lang aufs engste verbunden. Die Kuh liefert ihnen Tag für Tag Milch und Blut. Beides vermischt bildet seit Jahrhunderten das typische Getränk der Maasai, „saroi“ wird es genannt.

Der Hirte Maasai verschmäht es, den Erdboden zu bearbeiten. Wenn er dies täte, würde er sich schuldig fühlen. Er gräbt die Erde nicht auf, auch nicht, um seine Toten zu begraben, die er lieber den Tieren der Savanna zum Fraß überläßt.

Urbanistik der Maasai
Die Maasai bauen gewöhnlich zweierlei Dörfer. Die erste Art ist das „enkang“, das aus zwanzig bis fünfzig Hütten besteht. Hier wohnen verheiratete Männer mit ihren Familien. Eine dichte Dornhecke schützt das Dorf vor den Raubtieren: Löwen, Leoparden, Hyänen, Schakalen. Die das Dorf umgebende Dornenhecke hat winzige Durchgangsöffnungen, in einer der Familienzahl entsprechenden Menge. Die Hütte der ersten Ehefrau befindet sich rechts vom Eingang, die der zweiten links, jene der dritten wieder rechts, usw. Es existiert keinerlei Beschränkung der Polygamie.

Die Wohnstätten sind knapp so hoch wie ein Mann; demzufolge ist es unmöglich, darin aufrecht zu stehen. Man tritt durch einen engen Tunnel ein; der etwa ein Meter hoch ist und an der Wandseite entlang läuft. Einige Hütten haben eine eigentümliche Charakteristik: in der Höhe, auf dem Dach ist ein Spekulum, das aus einem Gemisch von Dünger, Gras und Schlamm besteht. Es werden dort die kaum geborenen Zicklein und Lämmchen untergebracht, damit sie trocken werden und sich wärmen können.

Die Bekleidung der Maasai ist einfach: ein Baumwolltuch, ziegelrot, tragen die Männer um die Hüften, und die Frauen ein Fell oder ein Stück Leinen, das auf der Schulter befestigt ist. Alle Ornamente, die sie besitzen, werden stets getragen: dabei gibt es also kein Problem.

Es besteht eine zweit Art Dorf, genannt „manyatta“: Es umfaßt eine Gruppe von Hütten, manchmal bis zu hundert, und ist von keiner Schutzvorrichtung umgeben. Die Krieger (il murran) leben in diesen Hütten nach der Zeremonie der Beschneidung. Diese Zeremonie bezeichnet den offiziellen Eintritt des jungen Mannes in den Maasaistamm, der alle fünf Jahre gefeiert wird, und es steht dem Priester zu, Jahr und Datum zu bestimmen. Alle Knaben, die das 14. Lebensjahr erreicht haben, verlassen ihre Familien und marschieren gemeinsam an einen besonderen Ort. Hier erbauen sie die manyatta. Sie werden an diesem Ort lange Zeit wohnen, manchmal auch acht Jahre lang, immer allein. Sie lernen in diesen Jahren die Traditionen ihrer Väter, deren Lieder, Tänze und ihren Kampf kennen. Wenn diese jungen Menschen ihre Lehrzeit beendet haben, teilt ihnen der Priester mit, das eine andere Gruppe junger Leute zur Beschneidung bereit ist, und setzt deren Termin fest. Nach vollendeter Beschneidung findet innerhalb des Stammes eine allgemeine Änderung, die Altersstufen betreffend, statt: die jungen Männer, die ihre Initiationszeit in der manyatta vollendet haben, werden Juniorkrieger; die Juniorkrieger werden Seniorkrieger; die Seniorkrieger ihrerseits werden Juniorälteste, und die Juniorältesten erhalten den hohen Grad der Seniorältesten. Letztere schließlich werden, falls einige noch leben, sich zurückziehen und ein privates Leben führen.

Im 19. Jhr. kam es zwischen den verschiedenen Stämmen der Maasai zu Auseinandersetzungen über Viehdiebstähle und Weideansprüche, die hauptsächlich, dadurch entstanden, daß ein Teil der Maasai seßhaft wurde, während der andere das Nomadenleben fortsetzen wollte. Die Streitigkeiten gipfelten in einer verzweifelten Schlacht in der Nähe von Nakuru, bei der der Laikipia-Stamm von seinen Gegnern über den Abgrund des Menengai-Kraters in den Tod gestürzt wurden. Die wenigen Überlebenden des Laikipia - Stammes wurden in alle Himmelsrichtungen zerstreut.

Nach der mündlichen Überlieferung der Maasai, wie der Somali, war Maa der Urvater beider Stämme, und als legendäre Ahnen der Maasai gelten die Parakwo. Sie waren Gottes auserwähltes Volk, das seine Rinder direkt vom Himmel erhielt. Noch heute behaupten die Maasai, daß alle anderen Völker nur deswegen Rinder besitzen, weil man sie den Maasai in grauer Vorzeit geraubt hat. Um so unverständlicher müssen ihnen die heutigen Gesetze in Kenya erscheinen, die ihnen verbieten, sich diese Rinder bei ihren Nachbarn wiederzuholen.

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